Vegane Ernährung

Die Anzahl der Veganer ist in den letzten Jahren um das 3,5-fache gestiegen [1], weswegen man immer öfter mitbekommt, dass eine Person im Bekanntenkreis vegan lebt. Inzwischen gibt es auch eine Vielzahl an veganen Restaurants und Ersatzprodukten als tierfreie Alternative zu Käse, Steak, Wurst etc. Filme wie „Gamechangers“, in dem die vegane Ernährung als das Nonplusultra dargestellt wurde, haben für Aufsehen gesorgt und für manche Personen ist der Veganismus eine Art Religion geworden. In diesem Artikel wird auf die Vor- und Nachteile einer veganen Ernährung, natürlich wie immer nur aus gesundheitlicher und wissenschaftlicher Sicht, eingegangen.

Gesundheitliche Effekte

Ein Vorteil, den die vegane Ernährung bietet, ist der hohe Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln. Dadurch werden große Mengen an Mikronährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen zu sich genommen, die sehr wichtig für einen funktionierenden Stoffwechsel und die Gesundheit sind. Der hohe Ballaststoffanteil ist z.b. gut für das Mikrobiom und die Sättigung. Da bei der veganen Ernährung sehr viele Lebensmittel wegfallen, probiert man in der Regel sehr viele unterschiedliche pflanzliche Nahrungsmittel, um Monotonie zu vermeiden. Dies ist sehr förderlich für die Darmgesundheit, da man so eine große Bakterienvielfalt des Mikrobioms kultiviert. [2]

Metaanalysen zeigen auch, dass eine pflanzliche Ernährung und eine pflanzenbetonte Ernährung das Risiko für kardiovaskulären Erkrankungen senkt [3] [4] .Wobei in einer weiteren Metaanalyse weder positive noch negative Effekte bei einer veganen Ernährung nachgewiesen werden konnten. [5] Eine Umbrella-Review, die mehrere Metaanalysen zu einer Forschungsfrage zusammenfasst, konnte nachweisen, dass eine vegane Ernährung dabei hilft Körpergewicht zu reduzieren und vegane Personen einen geringeren BMI haben.  Außerdem scheint das Sterberisiko geringer zu sein, was jedoch nur mit geringer Evidenzstärke bewiesen werden konnte. Auch bei der Prävention von Krebs, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen war die Beweislage eher dünn. Bei bereits kranken Personen hingegen konnte ein stärkerer Zusammenhang bei der Verbesserung von metabolischen Markern festgestellt werden, ebenso wie einen negativen Einfluss auf die Knochengesundheit bei allen Personengruppen.[6]

Puddingveganismus

Viele kaloriendichte Lebensmittel wie Wurst- und Käsewaren fallen weg, während mehr Gemüse und Obst verzehrt wird. Dadurch ist es deutlich schwieriger, durch eine vegane Ernährungsweise übergewichtig zu werden. Auf der anderen Seite gibt es viele Ersatzprodukte für Käse und Wurstwaren, die diesen „Vorteil“ wieder zu Nichte machen können. An diesem Punkt merkt man schon, dass eine vegane Ernährung genau wie die normale Ernährung ebenfalls kaloriendichte und v.a. stark verarbeitete Lebensmittel enthalten kann. Die Gesamtnahrungsmittelauswahl der jeweiligen Person ist entscheidend für einen gesunden Körper. Das heißt auf keinen Fall, dass kaloriendichte Lebensmittel per se schlecht sind. Aber sie begünstigen einen Kalorienüberschuss und damit eine Fettzunahme, wenn das Verhältnis zu anderen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse etc. nicht mehr stimmt.

 

Zusatzstoffe und fehlende Anreicherung

Ein weiteres Problem dieser Ersatzprodukte sind die zahlreichen Zusatzstoffe, die verwendet werden müssen, damit die gewünschte Konsistenz, Farbe und Geschmack erreicht wird. Zu viele Zusatzstoffe bedeuten Stress für den Darm und können sich negativ auf die Darmflora auswirken.[7] Hier macht wie immer die Dosis das Gift und man kann diese Produkte gerne als Ersatz nutzen, wenn man sie nicht täglich in jede Mahlzeit miteinbaut. Was jedoch noch wichtig zu erwähnen ist, ist dass diese Produkte nicht die Nährstoffe des entsprechenden tierischen Produkts enthalten. Hier wäre die Lebensmittelindustrie eigentlich in der Pflicht diese damit anzureichern. Eine vegane Ernährung ist, je nach Zufuhr dieser Lebensmittel nicht automatisch gesund- Stichwort Puddingveganismus. Es ließ sich nachweisen, dass eine ungesunde pflanzliche Ernährung negative Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko hat, also genau das gleiche bewirkt wie eine ungesunde Mischkost. [8]. Man kann dennoch sagen, dass die Wahrscheinlichkeit zu viele Kalorien zu sich zu führen etwas geringer ist, was isoliert betrachtet durchaus positiv für die Gesundheit sein kann.

Nährstoffmängel

Ein nicht zu ignorierender Fakt ist, dass einige wichtige Nährstoffe durch eine vegane Ernährung nicht oder nur in sehr geringem Maße aufgenommen werden. Dies macht eine Supplementation zwingend erforderlich. In der heutigen Zeit sollten ohnehin einige Mikronährstoffe ergänzt werden, worauf ich im Artikel „Nahrungsergänzung sinnvoll?“ eingehe. Für Veganer ist diese Thematik jedoch noch wichtiger. Veganer nehmen zb. Omega-3, B12, Eisen, Zink, Calcium, Iod, Vitamin D, Selen durch die Nahrung im Schnitt nicht in ausreichend hohen Mengen auf und sind daher unterversorgt oder sogar in einem Mangel [9] [10] [11] [12] [13].Omega 3, Eisen und B12 sind hier die kritischsten Nährstoffe, die man als Veganer unbedingt auf dem Radar haben sollte. Omega 3 kommt in höheren Mengen in fettigem Fisch vor, wobei vor allem das EPA und DHA wichtig sind.  Leinöl beispielsweise liefert jedoch nur die Alpha-Linolensäure, weswegen sich der Omega-3-Bedarf durch die vegane Ernährung nicht decken lässt. Dieser lässt sich übrigens auch durch eine „normale Ernährung“ heutzutage nur noch sehr schwer decken, was wegen der Schwermetallbelastung der Fische auch nicht zu empfehlen ist. Eine schlechte Versorgung mit Omega-3 geht mit einem höheren kardiovaskulären Risiko einer.

B12 kommt ausschließlich in tierischen Produkten vor, was eine Supplementation von Veganern unvermeidbar macht. Zudem fallen bei einer veganen Ernährung bestimmte genetische Polymorphismen viel mehr ins Gewicht als in der Mischkost. Es gibt bestimmte Nährstoffe wie Cholin, Taurin, Carnitin, Arachidonsäure und viele weitere, die zwar grundsätzlich vom Körper in bestimmten Mengen synthetisiert werden können, aber eben auch durch die Nahrung aufgenommen werden. Fallen diese Nährstoffe plötzlich weg und ist die Person kein guter Synthetisierer dieser Stoffe, kann es zu Nährstoffmängeln und gesundheitlichen Problemen kommen. Aus diesem Grund häufen sich die Case Studies zu Veganern, die wieder gezielt ein paar Tierprodukte wie Eier einführen mussten, um wieder in ihre Gesundheit zu kommen.

Eine Untersuchung von 258 Personen in Deutschland hat die Nährstoffzufuhr und die Konzentration sämtlicher Mikronährstoffe im Blut bei verschiedenen Ernährungsweisen durchgeführt. [17]  Was man aus dieser Studie gut rauslesen kann, ist, dass Fleischesser einen höheren BMI haben als Veganer und die Zufuhr von Kalorien, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und Zucker in der Reihenfolge Fleischesser, Flexitarier und Veganer immer geringer wird. Die Autoren schließen auf einen positiven Effekt für die Prävention von Krankheiten bei einer pflanzlichen Ernährung. Gleichzeitig konnten jedoch die bereits anhand mehrerer Metaanalysen thematisierten Nährstoffmängel bei Veganern im Blut nachgewiesen werden. Besonders bedenklich ist die Zufuhr von EPA und DHA, diese liegt bei Veganern nämlich bei null. Wie wichtig Omega-3 Fettsäuren für unsere Gesundheit ist, wird im Artikel „Omega-3/Omega-6“ erklärt.

Ferritin und Homocystein

Der Ferritinwert, also der Eisenspeicher lag bei Veganern im Mangelbereich. Der Homocysteinwert war in allen Gruppen eher im oberen Bereich, was auf eine unzureichende Versorgung mit B6, B9 und B12 schließen lässt, da diese Vitamine Homocystein abbauen. Den Mischköstlern hat es vermutlich an Folsäure also B9 gefehlt, während die die Pflanzenesser zu wenig B12 bekamen. Ein hoher Homocystienwert steht übrigens mit Arteriosklerose in Verbindung. Deswegen sollte man bei jeder Ernährungsweise darauf achten diese Vitamine in adäquaten Mengen zuzuführen.

Protein

Durch eine vegane Ernährung sinkt außerdem die Proteinzufuhr, da proteinreiche tierische Quellen fehlen. Außerdem ist es schwieriger ein vollständiges Aminosäureprofil aufzunehmen.[14] [15]. Auf die Wichtigkeit der Proteinversorgung bin ich bereits in diversen Artikeln eingegangen. Die aktuelle Wissenschaft empfiehlt 1,2-1,6 g pro Kg Körpergewicht für die Allgemeinbevölkerung, also 50-100 % mehr als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Dies lässt sich durch eine vegane Ernährung auch erreichen, es ist nur schwieriger und zeitintensiver. Einige Personen vertragen auch nicht so viele Hülsenfrüchte, um auf eine gute Proteinversorgung zu kommen, wobei man hier mit Proteinshakes nachhelfen könnte.

Mischkost vs. Vegan

Die meisten Veganer stellen ihre Ernährung aufgrund des Tierwohls und aus gesundheitlichen Gründen um. [16] Viele Veganer fühlen sich nach der Umstellung besser und leistungsfähiger, weil eben mehr Gemüse und Obst verzehrt wird, und viel Ernährungsschrott wegfällt. Daraus wird oft der Schluss gezogen, dass eine vegane Ernährung besser ist als die klassische Mischkost. Das Problem dabei ist zum einen ein etwas hinkender Vergleich und die Pauschalisierung. Würde man eine gesunde Mischkost mit einer gesunden veganen Ernährung vergleichen, wäre die Mischkost der veganen Ernährung überlegen. Alleine schon aus dem Grund, dass man eine breitere Palette an Lebensmitteln mit wichtigen Nährstoffen zur Verfügung hat. Der Vergleich zwischen einer gesunden veganen Ernährung inklusive Supplementierung der kritischen Nährstoffe verglichen mit der ungesunden Durchschnittsernährung wäre aber ebenso hinkend. Natürlich ist die vegane Ernährung in diesem Fall um ein Vielfaches besser.

Zur Pauschalisierung muss noch erläutert werden, dass jeder Mensch individuell ist und damit auch die Ernährungsweise, die zu ihm passt. Bei der pflanzlichen Ernährung werden viele Hülsenfrüchte und Gemüse verzehrt, was einfach nicht jede Person aufgrund von Antinährstoffen und Ballaststoffen gut verträgt und Darmprobleme auslösen kann. Für eine Person, die höhere Mengen Hülsenfrüchte nicht verträgt, die bei einer ausgewogenen gesunden veganen Ernährung verzehrt werden, ist diese Ernährungsform einfach ungeeignet. In der Regel wird auch mehr Nahrungsvolumen verzehrt, sodass nicht so gute Esser einfach Schwierigkeiten bekommen werden ihren Kalorien- und Nährstoffbedarf zu decken. Hinzukommt, dass es, wie bereits erwähnt, bestimmte genetische Polymorphismen gibt, die dafür sorgen, dass bestimmte semi-essenzielle Nährstoffe nicht ausreichend synthetisiert werden können und so im Stoffwechsel fehlen. Dies würde in der Mischkost gar keinen Unterschied machen, weil man sie zum Teil selber herstellt und zum anderen Teil über die Nahrung aufnimmt. Trifft eine Person, die diese Nährstoffe schlecht herstellt auf eine vegane Ernährung, in der diese gar nicht mehr vorkommen, führt dies zu gesundheitlichen Problemen.

Ein Problem ist, wie bereits erwähnt, der etwas hinkende Vergleich zwischen Fleischessern und Veganern, der auch in der Studienlage auftritt. Die durchschnittliche Ernährung ist alles andere als gesund und hat dazu geführt, dass es mehr Übergewichtige als Normalgewichtige gibt. Diese Ernährung beinhaltet viel zu wenig Gemüse und tierische Produkte in geringer Qualität. Außerdem wird sich viel zu einseitig ernährt. Diese Ernährung wird dann mit einer veganen Ernährung verglichen, die dann bezogen auf das kardiovaskuläre Risiko gesünder ist und dennoch erhebliche Nährstoffmängel bewirken kann. Man müsste jedoch eine ausgewogene gesunde Ernährung, die pflanzenbetont ist und tierische Produkte enthält, mit einer veganen Ernährung vergleichen.

Hier hätte die vegane Ernährung einfach das Nachsehen, weil einige Mikronährstoffe, Omega 3 und Protein auf der Strecke bleiben würden, es sei denn die Person weiß wirklich, was sie tut, und ergänzt die kritischen Nährstoffe. Eine schlechte Versorgung mit Omega-3, wie es bei einer veganen Ernährung ohne Supplementierung der Fall ist, würde das kardiovaskuläre Risiko z.b. wieder erhöhen. Für die meisten ist eine vegane Ernährung vom Zeitaufwand und auch vom notwendigen Wissen unpraktikabel und man würde nach einigen Jahren bei fehlendem Know-How gegen die Wand fahren, weil die Nährstoffmängel zu groß wären.

Empfehlung

Abschließend würde ich aus gesundheitlicher Sicht der Mehrheit dazu raten, sich pflanzenbetont und nicht rein pflanzlich zu Ernähren. Bei den tierischen Produkten ist auf Qualität und nicht auf Quantität zu setzen, da man dadurch ein breit gefächertes Nährstoffprofil hat, und bei der Entstehung von diversen ernährungsassoziierten Krankheiten auf der absolut sicheren Seite ist. Außerdem ist die Praktikabilität einfach um ein vielfaches höher. Man kann schlichtweg weniger Fehler machen. Für überzeugte Veganer, die sich aus ethischen Gründen rein pflanzlich Eernähren, empfehle ich sich wirklich gut mit der Materie auseinander zu setzen und sich evt. einen Experten zu holen, der einem das notwendige Know-How zeigt. Vegan leben ist definitiv möglich, man muss sich nur bewusst machen, dass es nicht für jeden geeignet und umsetzbar ist.

[1] Nutritional Status and the Influence of the Vegan Diet on the Gut Microbiota and Human Health – PMC (nih.gov)

[2] Nutritional Status and the Influence of the Vegan Diet on the Gut Microbiota and Human Health – PMC (nih.gov)

[3] The Association of Plant-Based Diet With Cardiovascular Disease and Mortality: A Meta-Analysis and Systematic Review of Prospect Cohort Studies – PMC (nih.gov)

[4] Plant‐Based Diets Are Associated With a Lower Risk of Incident Cardiovascular Disease, Cardiovascular Disease Mortality, and All‐Cause Mortality in a General Population of Middle‐Aged Adults | Journal of the American Heart Association (ahajournals.org)

[5] Systematic Review of the Association Between Vegan Diets and Risk of Cardiovascular Disease | The Journal of Nutrition | Oxford Academic (oup.com)

[6] Full article: Evidence of a vegan diet for health benefits and risks – an umbrella review of meta-analyses of observational and clinical studies (tandfonline.com)

[7] https://fet-ev.eu/darm-mikrobiom/

[8] The Association of Plant-Based Diet With Cardiovascular Disease and Mortality: A Meta-Analysis and Systematic Review of Prospect Cohort Studies – PMC (nih.gov)

[9] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0261561420306567

[10] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0148235

[11] https://examine.com/summaries/study/g98W40/

[12] Omega-3 polyunsaturated fatty acids and vegetarian diets – PubMed (nih.gov)

[13] Intake and adequacy of the vegan diet. A systematic review of the evidence – Clinical Nutrition (clinicalnutritionjournal.com)

[14] Nutritional Status and the Influence of the Vegan Diet on the Gut Microbiota and Human Health – PMC (nih.gov)

[15] Full article: Evidence of a vegan diet for health benefits and risks – an umbrella review of meta-analyses of observational and clinical studies (tandfonline.com)

[16] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1192354/umfrage/befragung-gruende-vegane-ernaehrung/

[17] Frontiers | Nutrient Intake and Nutrition Status in Vegetarians and Vegans in Comparison to Omnivores – the Nutritional Evaluation (NuEva) Study (frontiersin.org)